Mittwoch, 18. Juni 2014

The Idol of my Childhood

Es war 1983, wir pickeligen Ost-Teenies hatten nur die Wahl zwischen „Schlager der Woche“ mit dem genialen Lord Knut und „Hey Music“ mit Jürgen Jürgens (beides lief auf eigentlich verbotenen Westradiosendern) – da verkündigte der Lord zum ersten Mal seinen Namen … und zunächst sprach er ihn deutsch, also wie I, statt korrekt in Englisch, wie Ai: Billy Idol. Sein erster Hit „Rebell Yell“ yellte mir sofort sympathisch in den Ohren, und ich weiß noch genau, wie ich jede Woche erneut zum Lord betete, er möge sich erbarmen und den Titel immer und immer wieder spielen, damit ich mit meinem buckeligen Sonett-Monorekorder die Chance hatte, den Song in einigermaßen vertretbarer Qualität aufzunehmen, wobei der Rekorder an den Fehlversuchen eigentlich völlig unschuldig war, weil ich mich einfach nur zu blöd anstellte, den Aussteuerungsregler, der gleichzeitig als Klangregler fungierte, vernünftig einzustellen. Es war die Hochzeit der Popmusik, viele Bands, von denen damals noch gar nicht absehbar war, ob sie mal groß rauskommen würden oder nicht, wie etwa Depeche Mode, tummelten sich mit unglaublich kreativer Musik in den Hitparaden, der immer erschwinglicher werdende Synthesizer machte diese Revolution möglich. Es gab jede Woche etwas Neues, massenweise Futter für die Musikkassetten, und niemals war Radiohören spannender.
Billy Idol war anders: Er war rotzig, frech, punkig und trotzdem nicht schmuddelig, Edelpunk nannte man das damals. Irgendwie schaffte er es wie kein zweiter, die Hörer entweder magisch anzuziehen oder abzustoßen. Ich mochte ihn jedenfalls, kurzzeitig trug ich sogar die gleiche Frisur wie er, nur blondieren – das traute ich mich dann doch nicht. Sein fieses Peitschenschnurlächeln und die zur Schau getragene Coolness eines Jungspundes waren so abstoßend wie faszinierend zugleich. Und diese Musik … White Wedding, Don't Need A Gun und Flesh for Fantasy brachten einfache jede Party zum Kochen.
Gestern nun habe ich den Mann zum ersten Mal live gesehen. Er spielte in der Zitadelle Spandau vor geschätzten 3000 Zuhörern, und was dieser fast 60-Jährige da auf der Bühne abzog, war einfach nur spektakulär. Billy ließ sich nicht lange bitten und tobte, tanzte, sprang und sang schon nach wenigen Minuten mit freiem Oberkörper auf der großen Bühne herum. Entweder ist er ein Außerirdischer oder er ernährt sich sehr gesund und treibt täglich Sport, denn ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Mann seines Alters in so guter Verfassung gesehen zu haben. Seine mehr als 30 Jahre Bühnenerfahrung sind deutlich spürbar, er kämpft um wirklich jeden Fan und gibt allen das gute Gefühl, von ihm … von IHM … bemerkt worden zu sein. Auch seine Bandkollegen sprühen nur so vor guter Laune und widmen selbst den weit neben der Bühne stehenden Fans ihre Aufmerksamkeit. Natürlich wurden auch jede Menge Idol-Devotionalien verteilt, Billy warf ein paar signierte Pappteller wie Frisbeescheiben ins Publikum, Steve verschenkte seine Plektren, und außerdem gab es noch ein paar Trommelstöcke und Playlisten als Andenken. Der Sound war perfekt, die Performance äußerst beeindruckend, so sollte ein Konzert sein. Und dann noch dieses markante Gesicht … ohhh, diese Stimme … ich glaube, er ist wirklich ein Außerirdischer.



















Fotos: Stoffhase/Sunlion

2 Kommentare:

  1. Na sieh einer an!

    Hatte der Sonnenlöwe wieder einmal Besuch aus den Achtzigern... ;-)

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  2. Manchmal kommen die Achtziger sogar persönlich vorbei, die wollen nämlich ihre Klamotten wiederhaben.

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